Seit Jahren engagiert sich Marc Scheifele für das Kinderheim in Sri Lanka – als Dankeschön erhält er von den Kindern ein selbst gestaltetes Bild.Im Thurgau führt er einen Schreinerbetrieb, in Sri Lanka hat er das Hilfswerk aufgebaut: Marc Scheifele bewegt sich seit Jahren souverän in beiden Welten. Jetzt verknüpft er sich! Sein jüngstes Projekt ist eine Lernwerkstatt für Schreiner auf der tropischen Insel. Im Januar 2016 fliegt Marc Scheifele wie schon oft in den vergangenen 15 Jahren nach Sri Lanka, mit Geld in der Tasche gesammelt in der Schweiz. Und trotzdem ist es diesmal anders:

Der umtriebige Schreiner startet mit dem neuen Jahr sein jüngstes Vorhaben auf der Insel: Eine Lernwerkstatt, in der acht junge Männer das Schreinerhandwerk von der Pike auf lernen werden- unter der Leitung eines einheimischen Ausbildners, der seinerseits diese Ausbildung genossen hat. Nach zehn Monaten werden die Schreiner den Experten ihre Prüfungsarbeiten präsentieren und im besten Fall das staatliche anerkannte Zertifikat erhalten.

Wertvolle Fracht

„Ich habe keine Ahnung, ob es funktionieren wird“, gesteht Marc Scheifele mit seiner sonoren Stimme. Ein bisschen aufgeregt sei er schon, fügt er an und schickt sein tiefes Lachen hinterher. ‚Schifel‘, wie ihn hier im Thurgau seit Kindsbeinen alle nennen, ist eine imposante Erscheinung: gross, kräftig und mit Händen, denen man ansieht, dass sie anpacken können.

Jetzt sitzt er im Büro seines Betriebes Renofix, den er gemeinsam mit seinem Geschäftspartner in Thundorf bei Frauenfeld führt, und einige tausend Kilometer entfernt fährt das Werkzeug für die Lernwerkstatt im Schiff seiner Bestimmung entgegen. Eine Hobel- und Fräsmaschine sowie ein Drehbänkli hat er persönlich in Colombo ausgesucht und bezahlt, mit dem Geld von Schweizer Sponsoren.

Das Werkzeug stammt von Schreinern aus der Umgebung. „Dass mein Aufruf so erfolgreich sein würde, hätte ich nicht gedacht“, sagt Marc Scheifele, noch immer überwältigt. Denn er weiss zu gut, wie das Material auf der Tropeninsel aussieht: „Hier würde jeder Schreinermeister davonlaufen, müsste er damit arbeiten.“ Nicht so in Sri Lanka.
 
Sri Lanka und Schifel, das ist eine besondere Verbindung. Eine Liebe auf den zweiten Blick. Das erste Mal reiste er hin, um einen Kollegen bei einem Bau zu helfen. Ausgerechnet während der Regenzeit. Beim zweiten Mal aber offenbarte sich ihm die Insel in ihrer ganzen Schönheit – da hat ihn das Virus erwischt. Der Thurgauer lernt die Einheimischen kennen, diese Menschen, die so wenig haben und damit so zufrieden sind, so fröhlich. Mit Christopher Dabarera, dem Leiter des Gästehauses, verbindet ihn bald eine tiefe Freundschaft.

Aber dann. Dann kommt das Unglück. Am 26. Dezember 2004 donnert der Tsunami über die Inse, zerstört mit Wucht Land und Leben, hinderlässt Verwüstung und Elend. In Thundorf sitzt Marc Scheifele vor dem Fernseher, sieht das Unfassbare, ruft seinen Freund Christopher an, will helfen. Leute aus dem Dorf bringen spontan Geld vorbei, fragen, was zu tun sei. Schifel nimmt die Spenden, steigt ins Flugzeug, organisiert vor Ort einen Laster und bringt zusammen mit Christopher Lebensmittelpakete zu jenen, die nichts mehr haben.

Ein Lächeln trotz der Not

Was Scheifele sieht, prägt sich ihm unauslöslich ein: zerstörte Häuser, zerstörte Leben. Überlebende ohne Dach über dem Kopf. Armut, Not und trotzdem ein Lächeln. Nach einem Monat kehrt er in die Schweiz zurück, den Kopf voller Bilder. Wenn er hört, wie die Leute über ihre Probleme lamentieren, kann er sich kaum halten: „Das sind doch gar keine Probleme.“

Als via Christopher die Anfrage kommt, ob er in Waikkal an der Küste Sri Lankas ein Heim für Kinder und Jugendliche mit einer Behinderung, viele davon Waisen, umbauen könne, sagt er zu,sammelt das Geld in der Schweiz, bringt es eigenhändig hin, managt und leitet den Umbau und lernt eine Menge dabei. Zum Beispiel, dass das Tropenholz dort viel zu hart ist für Schrauben. Dass die Werkzeuge museumreif sind. Dass die Männer das Handwerk verrichten, nicht die Maschinen.

Mehr als nur ein Umbau

Schifel wollte nie der Schweizer sein, der den Leuten in Sri Lanka sagt, wie es geht: „Das wäre respektlos.“ Später hilft er, den Umbau des Kindergartens zu realisieren, dann folgen Schulen und schliesslich die Lernwerkstatt. Doch das Engagement geht über den Umbau hinaus- es gilt, den Betrieb zu unterhalten. Es braucht Material, es braucht Schuhe für die ärmsten Schulkinder, einen einfachen Matrizenkopierer, Schulsachen, kleine Renovationen.

„Ich kann doch die Kinder dort nicht einfach hängen lassen“, sagt der 55-Jährige und holt Fotos. „Diese Mädchen und Buben, wie sie lachen, das ist unbeschreiblich.“
Der Handwerker mit dem Hilfswerk.

12000 Franken sammelt er jedes Jahr allein für den Betrieb des Kinderheims, die Löhne der Betreuerinnen inbegriffen. „Mich fasziniert, dass wir mit so wenig Geld so viel bewirken können.“ Mit ‚Wir‘ meint er sein Netzwerk in Sri Lanka und im Thurgau, seine Spenderinnen und Gönner und natürlich den Verein Waikkala, genannt nach dem Ort Waikkal. Damit hat er sein Hilfswerk rechtlich abgesichert.

Der Thurgauer amtet als Präsident, Fundraiser, Netzwerker, Geldverwalter, Organisator, Personalverantwortlicher, Manager, Pressesprecher und Leiter des Hilfwerks in Personalunion. Darüber staunt er selbst am meisten: „Ich bin doch Handwerker.“

Zwei Dinge sind für ihn absolut sakrosankt: Jeder Franken geht zu 100 Prozent in die Projekte. „Wir ziehen nichts ab für Marketing-Schnickschnack.“ Und: Er bringt das Geld selber hin, schaut mit eigenen Augen, wofür es verwendet wird, packt mit eigenen Händen mit an.
Das weiss man in seiner Heimat. Hier ist Marc Scheifele bekannt wie ein bunter Hund, er ist fast in jedem Verein dabei. „Die Leute vertrauen mir. Sie wissen, dass ihr Geld an den richtigen Ort kommt.“

Berufsleute für das Land

Auch das Startkapital für die Lermnwerkstatt stammt von einem Gönner. Die Lernwerkstatt selbst, Die Lehrpläne, die Unterrichtsplanung wurden übernommen von der bisher einzigen Lernwerkstatt der Insel, einer Pionierleistung des Schweizer Projekts ‚Bridge‘. Die Idee dahinter: Berufsleute auszubilden, die denm Land erhalten bleiben. Das ist bitter nötig in Sri Lanka, wo die Berufswahl noch immer dem Zufall überlassen wird. Wenn der Vater Schnapsbrenner ist, wird der Sohn halt auch. Und schafft einer ein Studium, verlässt er garantiert die Insel. Dabei mangelt es nicht an Talent: Schifel zeigt Fotos von den Abschlussarbeiten der ersten Lernwerkstatt des Landes: sauber verarbeitete Tische, Schränke, Stühle. „Als Erstes werden die Lehrlinge Holznägel herstellen, das ist gesetzt“, sagt er.

Bereits bestehen Pläne für Lehrlingspatenschaften. „Aber vorher schauen wir, ob die Lehrwerkstatt auch wirklich funktioniert.“ Wieder dieses Lachen, kraftvoll und tief. Wieder das funkeln in den Augen. Am 1. Januar fliegt er. Dorthin, wo seine Hilfe gebraucht wird. Wie jeden Winter wird er einige Wochen bleiben. In dieser Zeit führen sein Kompagnon und sein Team den Betrieb in Thundorf weiter, darauf kann sich Schifel verlassen. Eines habe er in den letzten Jahren gelernt: „Wenn man will, gibt es immer einen Weg.“